Vertriebsmitarbeiter finden, motivieren und halten – AK-Meeting 01/2020

Vertrieb wird digitaler. Potenzielle Mitarbeiter sind immer öfter Digital Natives. Und es sind wenige. Wie und wo kann man also in diesem Arbeitnehmermarkt gute Vertriebsmitarbeiter für das Unternehmen finden?

Die Mitglieder des Arbeitskreis Technischer Vertrieb im VDI Dresdner Bezirksverein kamen am 13. Januar zum ersten Mal im neuen Jahr zusammen. Patrick Schmieder, Geschäftsführer von der Mein Lagerraum³ GmbH und Vertriebscoach, eröffnete mit einem Impulsvortrag zu aktuellen Veränderungen im Arbeitnehmermarkt und der Gestaltung des Vertriebs 2.0. Es entspann sich eine lebhafte Diskussionen darüber, wie man Vertriebsmitarbeiter finden, motivieren und halten kann.

Wertewandel bei Mitarbeitern

Herr Schmieder begann seinen Vortrag mit der Vorstellung der vier Alterskohorten, die momentan auf dem Arbeitsmarkt vorzufinden sind. Diese werden in der Soziologie wie folgt bezeichnet:

  • Baby Boomer (ca. 1955 – 1965 Geborene)
  • Generation X (geboren etwa 1966 – 1979)
  • Millennials bzw. Generation Y (etwa 1980 – 1996 geboren)
  • Digital Natives oder Generation Z (*1997-2012)

Er skizziert dabei einen Konflikt zwischen Baby Boomern und Generation X mit den jüngeren Generationen Y und Z. Arbeitnehmer der älteren Kohorte sehen ihre Arbeit entweder als Lebenserfüllung oder als Mittel, um ein gutes Leben führen zu können. Die jüngeren Generationen dagegen streben nach einer erfüllenden Verbindung zwischen Arbeit und Privatleben, um sich selbst zu verwirklichen oder im Beruf eine Gemeinschaft zu finden. Es genügt also nicht länger, den Arbeitnehmer durch Gehalt zufrieden zu stellen. Der Arbeitgeber sollte versuchen, dem Arbeitsalltag durch Zusatzleistungen und Erfüllung persönlicher Wünsche zu einer glücklicheren Atmosphäre zu verhelfen.

Welche Werte für junge Vertriebsmitarbeiter entscheidend sind

Die Generationsdefinition allein führt schon zu regen Diskussionen. Wie sinnvoll ist es, Menschen, die außer ihrer 10 Jahre auseinanderliegender Geburtsjahre nichts gemein haben, in eine Schublade zu stecken? Patrick Schmieder argumentiert, dass diese Generationen natürlich keine Blaupausen seien. Sie bieten einen ersten Ansatz, um die Herausforderungen des Vertriebs durch den anstehenden Strukturwandel verstehen zu können.

Um das Verlangen der jüngeren Generationen nach flexiblen Arbeitszeiten, weniger Stunden pro Woche und guter interner Unternehmenskommunikation nachvollziehbar zu machen, hilft es, den Arbeitswandel zu betrachten. Oft ist es die Ansicht jüngerer Mitarbeiter, dass nicht sie in der Schuld des Unternehmens stehen, weil sie bezahlt werden. Vielmehr ist der Lohn die Kompensation für ihre eigene, wertvolle Lebenszeit. Und die soll gut genutzt sein. Die Mitarbeiter sind nicht länger existenziell oder durch eigenen Wunsch auf ein großes Gehalt angewiesen. Deshalb kann auch eine hervorragende Bezahlung immer seltener (subjektiv) schlechte Arbeitsbedingungen kompensieren.

Neue Vertriebsmitarbeiter erfolgreich finden

Mit dem Hintergrundwissen des Strukturwandels führt der Vortrag weiter zum Finden und Auswählen neuer Vertriebsmitarbeiter. Eine bewährte Möglichkeit, neue Talente für den Vertrieb zu entdecken, ist es, in den eigenen Reihen zu suchen. Oft wissen die eigenen Kollegen gar nicht, dass sie das Zeug zum Vertriebsmitarbeiter haben. Oder es herrschen Vorurteile gegenüber dieser Profession. Über interne Personalgespräche oder auch Tools wie Berufskonferenzen haben Arbeitgeber die Möglichkeit, geeignete Vertriebsmitarbeiter unter den Kollegen zu finden.

Die Vorteile, eigene Mitarbeiter zu entwickeln, liegen auf der Hand: Man kennt sich bereits, außerdem stärkt diese Praxis die Bindung des Arbeitnehmers zum Unternehmen. Das ist gerade aktuell besonders wichtig, denn Kollegen sehen sich mit attraktiven Recruiting-Angeboten konfrontiert. Nicht zwingend ist es das Ziel jedes Mitarbeiters, den Rest des Arbeitslebens in demselben Unternehmen zu verbringen. Auch die Taktik des Abwerbens von Arbeitnehmern anderer Unternehmen ist eine relevante Gefahr.

Employer Branding

Wird das eigene Unternehmen in der Öffentlichkeit als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen, erleichtert das die Suche nach Vertriebsmitarbeitern enorm. Employer Branding wird durch eine gut strukturierte interne Kommunikation verbessert, wozu auch der eigene Social-Media-Auftritt oder Sponsorentätigkeit gehören kann.

Sind Bewerber gefunden, stellt sich die Frage, wie diese in Vorstellungsgesprächen eingeschätzt werden können. Um die tatsächliche Einstellung eines potenziellen Vertriebsmitarbeiters abfragen zu können, empfiehlt Schmieder, einen Blick auf die persönlichen Werte zu werfen. Das funktioniert beispielsweise, in dem der Bewerber seine „Big Five for Life“ nennt. Das sind nach John Strelecky fünf Herzenswünsche, die dabei helfen sollen, eine Person einschätzen zu können.

Big Five for Life

Diese Vorgehensweise stößt im Plenum auf unterschiedliche Positionen: Einerseits wird argumentiert, dass dieser Ansatz zu vereinfachend sei; fünf Ziele können keine Person ganzheitlich definieren. Andererseits berichten Teilnehmer auch von dem Ansatz, Bewerber nach ihrem „Purpose“ im Leben zu fragen, also der eigenen Sinnhaftigkeit. Rückblickend auf die Generationsdefinitionen beschreibt das gerade Millennials und Digital Natives hervorragend.

Wichtig bleibt beim Umgang mit neuen Bewerbern, dass man sich auf deren neue Ansprüche einlassen muss. Arbeiten ist nicht länger Mittel zum Zweck, sondern neue Vertriebsmitarbeiter sollten einen größeren Sinn dahinter sehen, um sich länger an ein Unternehmen zu binden und motivierte Arbeit zu leisten.

Auch hier zeigen die Mitglieder des Arbeitskreises zwar Verständnis, es kommen daneben interessante Diskussionspunkte auf. So wird die Frage gestellt, ob die hier vermittelte Gleichung tatsächlich der Realität entspricht.

Glückliche Mitarbeiter = Glückliche Kunden = Umsatzsteigerung

Glück und Produktivität

Steigern glücklichere Arbeitnehmer auch ihre Produktivität? Um Vertriebsmitarbeiter nicht nur gut zu bezahlen, sondern ihnen ein motivierendes Umfeld zu schaffen, müssen Ressourcen aufgewandt werden. Diese Ressourcen müssen sich aus unternehmerischer Sicht letzten Endes „bezahlt“ machen, sich also in den Zahlen wiederspiegeln. Oder eben auch nicht – genauso gut kann nämlich argumentiert werden, dass moderne Unternehmen ohnehin ein größeres Ziel anstreben sollten als Umsatzsteigerung, Stichwort: Corporate Social Responsibility und Unternehmensleitbild. Um Menschen, egal ob Arbeitnehmer oder Kunden, mitreißen zu können, muss sich das Unternehmen durch Werte und einen klar definierten Purpose von anderen abheben.

Trotzdem bleibt es, und da ist man sich einig, eine knifflige Aufgabe, in dieser Frage eine Balance zu finden. Ideen wie sportlicher Wettbewerb der eigenen Abteilung mit der Konkurrenz könnten zwar die Vertriebsmitarbeiter weiter motivieren, das Problem bleibt aber bestehen: ohne Umsatz kann kein Unternehmen auf Dauer bestehen. Dennoch ist eine Umstrukturierung wichtig, denn die neuen Generationen werden sich nicht mehr mit einem schlechten Verhältnis zur eigenen Arbeitsstelle zufriedengeben. Für dieses Dilemma gibt es (noch) kein Patentrezept und auch hier besteht weiterhin Diskussionsbedarf.

Führung und Motivation

Die klassische Führung eines Unternehmens lässt sich als Instanz beschreiben, die letztendlich die Entscheidungen trifft. Im Vertrieb 2.0 muss das, angepasst an die Veränderung der Arbeitnehmer, modernisiert werden. Die Führung sollte in erster Linie für die Handlungsfähigkeit der Arbeitnehmer sorgen. Das erreicht sie, indem Strukturen vorgegeben werden, mit den Vertriebsmitarbeitern kommuniziert wird, außerdem ausreichend informiert und gecoacht wird. Das geschieht erfolgsversprechend vor allem über drei Methoden:

Feedback, Mitsprache und Fürsorge

Feedback geben: Loben, Loben, Loben!

Speziell die Methode des Feedbacks muss sich verändern, um aus Frustration Motivation zu machen. Schon lange gilt der Leitsatz „Nicht geschimpft ist genug gelobt“ nicht mehr. Herr Schmieder erklärt, dass wir es gerade bei der Generation Z durch aktuelle Veränderungen der Familienstruktur – seit Jahren ist das traditionelle Familienbild nicht mehr flächendeckend Realität, Scheidungen und Patchworkfamilien gehören zum Alltag jüngerer Generationen – mit Personen zu tun haben, die im Beruf Gemeinschaft, ja sogar eine Ersatzfamilie suchen.

Weiterführend stellt Schmieder die Hypothese in den Raum, dass die Generation Z seit dem Kindesalter mit viel Beifall aufgewachsen ist. Er zieht aus diesen Ansichten folgende Schlüsse: Um Frustration und sogar Burn-Out vorzubeugen, sollte sich die Unternehmenskultur lobgeprägt verändern. Der Erfolg der Vertriebsmitarbeiter sollte durch die verbal deutlich gemachte Anerkennung der Leistung steigen. Weiterführend sollten Teambuilding-Maßnahmen ergriffen werden, um den jüngeren Kollegen Sicherheit und Geborgenheit im Beruf zu vermitteln.

Gerade die Bildung und Stärkung der Teams in den einzelnen Abteilungen kann mit bisherigen Praktiken nicht einwandfrei funktionieren. Einige Mitglieder merken an, dass in der eigenen Firma das Konzept der Provision komplett aufgegeben wurde, und das mit Erfolg. Es ist nicht mehr länger Kollege gegen Kollege; wenn das Team heute als Ganzes einen Erfolg erzielt, dann wird auch das gesamte Team, oder sogar das ganze Unternehmen belohnt.

Motivation führt zu Innovation

Patrick Schmieder appelliert am Ende seiner Präsentation an die Mitglieder, sich an die neuen Generationen schrittweise anzupassen. Auch, wenn die Ansichten der jungen Menschen vielleicht nicht komplett mit den eigenen übereinstimmen, ist der Strukturwandel unaufhaltbar. Je mehr man darauf vorbereitet ist, desto leichter und auch erfolgreicher überlebt das eigene Unternehmen.

Flexibleres Denken fördert die Motivation, und aus einer gestärkten Motivation erfolgt eine höhere Innovation.

Die Mitgliederrunde ist bei diesem Treffen auf ein Thema gestoßen, dass viel Diskussionspotenzial zu Tage gefördert hat. Aber gerade hier liegt der Vorteil an so einem Arbeitskreis: spannende Diskussionen stellen auch manchmal die eigenen Ansichten in Frage, aber gerade diese Auseinandersetzungen mit verschiedenen Standpunkten aus unterschiedlichsten Perspektiven haben das Potenzial, zu einer zufriedenstellenden Lösung für alle zu führen.

Wir bedanken uns bei Patrick Schmieder für den interessanten Vortrag sowie bei den Mitgliedern des Vereins für ihr Erscheinen, und freuen uns schon auf das nächste Treffen.

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